Grüner Wasserstoff: Schlüsseltechnologie der Energiewende
Ein Überblick über aktuelle Entwicklungen und Pilotprojekte im Bereich der Wasserstofftechnologie in Deutschland.
Wasserstoff als Hoffnungsträger der Energiewende
Während Windkraft und Photovoltaik bereits einen bedeutenden Anteil an der deutschen Stromerzeugung ausmachen, steht die Energiewende in anderen Bereichen wie Industrie, Wärmeversorgung und Verkehr noch am Anfang. Hier kommt grüner Wasserstoff als vielversprechender Energieträger ins Spiel, der das Potenzial hat, diese Lücke zu schließen.
Wasserstoff ist ein vielseitiger Energieträger, der in nahezu allen Sektoren eingesetzt werden kann – von der Stahlproduktion über die chemische Industrie bis hin zum Schwerlastverkehr und der Wärmeversorgung. Entscheidend für die Klimaneutralität ist jedoch, dass es sich um "grünen" Wasserstoff handelt, der ausschließlich mit erneuerbaren Energien hergestellt wird.
Was ist grüner Wasserstoff?
Wasserstoff selbst ist farblos, die Bezeichnung "grün" bezieht sich auf die umweltfreundliche Herstellungsweise: Bei der Elektrolyse wird Wasser (H₂O) mithilfe von Strom in seine Bestandteile Wasserstoff (H₂) und Sauerstoff (O₂) aufgespalten. Stammt der Strom vollständig aus erneuerbaren Quellen wie Wind- oder Solarenergie, spricht man von grünem Wasserstoff.
Im Gegensatz dazu steht "grauer" Wasserstoff, der aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird und bei dessen Herstellung erhebliche Mengen CO₂ freigesetzt werden. Eine Zwischenstufe ist "blauer" Wasserstoff, bei dem die CO₂-Emissionen abgeschieden und gespeichert werden (Carbon Capture and Storage, CCS).
Farben des Wasserstoffs im Überblick
- Grüner Wasserstoff: Herstellung durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien
- Blauer Wasserstoff: Herstellung aus Erdgas mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung
- Türkiser Wasserstoff: Herstellung durch Methanpyrolyse, wobei fester Kohlenstoff anstelle von CO₂ entsteht
- Grauer Wasserstoff: Herstellung aus fossilen Brennstoffen ohne CO₂-Abscheidung
Die Nationale Wasserstoffstrategie Deutschlands
Die Bundesregierung hat die Bedeutung von Wasserstoff für die Energiewende erkannt und im Juni 2020 die Nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet, die 2023 noch einmal aktualisiert wurde. Ziel ist es, Deutschland zum führenden Anbieter und Nutzer von grünem Wasserstoff zu machen.
Bis 2030 sollen Elektrolyseure mit einer Gesamtleistung von mindestens 10 Gigawatt in Deutschland installiert werden. Zum Vergleich: Ende 2024 beträgt die installierte Leistung erst etwa 300 Megawatt. Die Strategie umfasst die gesamte Wertschöpfungskette von der Erzeugung über Transport und Speicherung bis hin zur Anwendung in verschiedenen Sektoren.
"Wasserstoff ist das Erdöl von morgen. Wer jetzt in diese Zukunftstechnologie investiert, sichert nicht nur Klimaschutz, sondern auch Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze in Deutschland."
Dr. Robert Schmidt, Vorstandsmitglied des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands
Schlüsselanwendungen für grünen Wasserstoff
Grüner Wasserstoff spielt besonders dort eine wichtige Rolle, wo eine direkte Elektrifizierung technisch schwierig oder unwirtschaftlich ist:
Industrie
In der Stahlindustrie kann Wasserstoff anstelle von Koks als Reduktionsmittel bei der Eisenerzreduktion eingesetzt werden. Unternehmen wie Thyssenkrupp und Salzgitter haben bereits Pilotanlagen für die wasserstoffbasierte Direktreduktion in Betrieb genommen.
Auch in der chemischen Industrie, etwa bei der Ammoniakproduktion für Düngemittel, kann grüner Wasserstoff die bisher verwendeten fossilen Rohstoffe ersetzen.
Mobilitätssektor
Während Batteriefahrzeuge im Pkw-Bereich dominieren, bietet Wasserstoff in Brennstoffzellen besondere Vorteile für den Schwerlastverkehr, Busse, Schiffe und potenziell auch für den Flugverkehr. Die längeren Reichweiten und kürzeren Betankungszeiten machen die Technologie hier besonders interessant.
In Deutschland werden derzeit mehrere Wasserstoff-Tankstellennetze aufgebaut. Bis Ende 2025 sollen über 200 öffentliche H₂-Tankstellen zur Verfügung stehen.
Energiespeicherung
Eine große Herausforderung der Energiewende ist die Speicherung überschüssigen Stroms aus erneuerbaren Quellen. Wasserstoff kann hier als langfristiger Energiespeicher dienen und überschüssigen Ökostrom aus dem Sommer für den Winter verfügbar machen.
Aktuelle Pilotprojekte in Deutschland
In ganz Deutschland entstehen derzeit zahlreiche Pilotprojekte, die die technische und wirtschaftliche Machbarkeit der Wasserstofftechnologie demonstrieren:
- HyBit (Hydrieren von BiTumen) in Lingen: Bei diesem Projekt wird erstmals synthetisches Erdgas aus erneuerbarem Wasserstoff und recyceltem CO₂ hergestellt.
- H2Giga: Ein vom BMWK gefördertes Projekt zur Serienfertigung von Elektrolyseuren, um die Kosten für grünen Wasserstoff deutlich zu senken.
- WESTKÜSTE100 in Schleswig-Holstein: Das erste sektorenübergreifende Wasserstoffprojekt Deutschlands, bei dem grüner Wasserstoff zur Dekarbonisierung von Industrie, Energie und Mobilität eingesetzt wird.
- H2Mare: Hierbei geht es um die Offshore-Produktion von Wasserstoff und dessen Weiterverarbeitung zu synthetischen Kraftstoffen auf hoher See.
Herausforderungen bei der Wasserstoffwirtschaft
Trotz des enormen Potenzials steht die Wasserstoffwirtschaft vor erheblichen Herausforderungen:
Wirtschaftlichkeit
Die Herstellung von grünem Wasserstoff ist derzeit noch deutlich teurer als die Produktion von grauem Wasserstoff aus Erdgas. Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien, technologischen Fortschritt und Skaleneffekte könnten die Kosten jedoch bis 2030 um bis zu 60% sinken.
Infrastruktur
Für eine flächendeckende Wasserstoffwirtschaft muss eine komplett neue Infrastruktur aufgebaut werden. Deutschland plant daher ein "Wasserstoffkernnetz" von etwa 10.000 Kilometern bis 2035, wobei etwa 60% durch Umrüstung bestehender Erdgasleitungen entstehen sollen.
Effizienz
Der Energieverlust bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff und zurück ist erheblich (etwa 60-70%). Daher ist die direkte Nutzung von Strom, wo möglich, effizienter. Wasserstoff sollte vorrangig dort eingesetzt werden, wo eine direkte Elektrifizierung schwierig ist.
Internationale Kooperationen
Deutschland wird aufgrund des begrenzten Potenzials für erneuerbare Energien nicht in der Lage sein, seinen gesamten Wasserstoffbedarf selbst zu decken. Die Bundesregierung setzt daher auf internationale Partnerschaften mit sonnen- und windreichen Ländern.
So wurden bereits Wasserstoffpartnerschaften mit Ländern wie Marokko, Chile, Australien und Namibia geschlossen. Die H2Global-Initiative soll den Import von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten nach Deutschland fördern.
Fazit: Eine vielversprechende Technologie mit Zukunftspotenzial
Grüner Wasserstoff hat das Potenzial, ein zentraler Baustein der Energiewende in Deutschland zu werden. Er ermöglicht die Dekarbonisierung in Bereichen, die bisher als schwer zu elektrifizieren galten, und kann als Langzeitspeicher für erneuerbare Energien dienen.
Durch massive Investitionen, technologische Innovationen und internationale Kooperationen könnte Deutschland tatsächlich zum "Hydrogen Valley" werden und eine globale Vorreiterrolle einnehmen. Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, ob die ambitionierten Ziele erreicht werden können.